Wirksamkeit? Teil 4 - Berechnung der Effektivität (Relative Risikoreduktion, Screening-Methode nach Farrington)

Relative Risikoreduktion, Screening Methode nach Farrington und weitere Aspekte.

In der Diskussion um die Impfung wird oft von Belegen berichtet, wie wirksam die Impfung sei. Sei es in Bezug auf symptomatische Erkrankung, sei es im Hinblick auf schwerere Verläufe.

Z.B. wird in den Studien zum Impfstoff von Biontech eine Wirksamkeit von 90-96% postuliert^{https://investors.biontech.de/de/news-releases/news-release-details/pfizer-und-biontech-geben-erfolgreiche-erste-zwischenanalyse, https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.07.28.21261159v1.full} und das RKI berichtet über die Impfstoffeffektivität, die trotz vieler Impfdurchbrüche sehr hoch sei^{https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenberichte_Tab.html}.

Diese Angaben sind jedoch nicht wirklich "Belege" für die Wirksamkeit oder Effektivität. Es sind Berechnungen nach bestimmten Formeln, bestimmten Merkmalen und Daten mit diversen Einschränkungen der Aussagekraft. Und sie beleuchten in der Regel nur einen ausgewählten Aspekt.

Wichtig ist zu wissen, dass sich die meisten Berechnungen und deren Ergebnisse nur auf das Verhältnis von (Erkrankungs-) Fällen von Geimpften zu Ungeimpften stützen.

Die Aussagen lassen keine Schlüsse zu auf absolute Zahlen, absolute Risikoreduktion, sagen nichts aus über Verhältnisse zu allen Geimpften oder der Bevölkerung, nichts über individuelles Risiko, nichts über Infektiosität oder Antikörper. Solche "90% Wirksamkeit" heißt nicht, dass 90 von 100 Geimpften geschützt sind.^{Vgl. dazu die Unstatistik des Monats auf https://www.rwi-essen.de/presse/wissenschaftskommunikation/unstatistik/archiv/2021/detail-1/der-impfstoff-ist-zu-90-prozent-wirksam, früher https://www.rwi-essen.de/unstatistik/109/, s.a. hier: https://idw-online.de/de/news759130}   Leider wird das in der Öffentlichkeit oft so verstanden:

"Die Vakzine von Biontech, Moderna und AstraZeneca bieten eine Impfwirksamkeit von 90% gegen eine schwere Erkrankung und eine Wirksamkeit von 75% gegen eine Infektion. Das bedeutet die Wahrscheinlichkeit, schwer an COVID-19 zu erkranken, ist bei den vollständig gegen Corona geimpften Personen um etwa 90% geringer als bei den nicht geimpften Personen."^{https://www.merkur.de/welt/corona-impfung-negative-impfeffektivitaet-kindern-begruendung-rki-twitter-zr-91481722.html}

Hier soll ein etwas genauerer Blick auf zwei der Berechnungsformeln geworfen werden. Eine derart berechnete "Wirksamkeit" von X% sagt etwas über das statistische Verhältnis von Fällen von Geimpften und Nicht-Geimpten bzw. von Impfdurchbrüchen und Impfquote aus. Daraus ist nicht zwingend zu schließen, dass für mich absolut gesehen die Wahrscheinlichkeit um X% geringer ist, (schwer) zu erkranken. Capital beschreibt es einleuchtend:

"Die Impfstoffentwickler geben die Wirksamkeit nicht für die Menschen an, die geimpft wurden. Stattdessen beziehen sie sich auf die Corona-Infizierten. [...] Diese Rechnung bezieht sich damit nicht auf die Zahl der Geimpften oder alle Studienteilnehmer, sondern auf die Zahl der Infizierten. Es handelt sich damit um eine relative Risikoreduktion – und nicht um eine absolute."^{Bezogen auf die Biontech-Studie Ende 2020: https://www.capital.de/wirtschaft-politik/zu-90-prozent-wirksam-klaerung-eines-missverstaendnisses}

Auch bei der "Unstatistik des Monats 11/2021" wird es deutlich gemacht:

"Die Unstatistik des Monats November befasst sich mit Aussagen zur Wirksamkeit von Corona-Impfstoffen. [...] dass ihr Impfstoff gegen Covid-19 „zu 90 Prozent wirksam“ sei. [...] Die „zu 90 Prozent wirksam“ bezieht sich also nicht auf 9 von 10 Menschen, die zur Impfung gehen, und auch nicht auf alle Teilnehmer der Studie oder alle Menschen, die sich in Deutschland impfen lassen. Sie ist eine relative Risikoreduktion, die sich auf die Zahl der Infizierten bezieht, aber keine absolute Reduktion, die sich auf alle Geimpften bezieht."^{https://idw-online.de/de/news759130, ursprünglich das Original auf https://www.rwi-essen.de/unstatistik/109/ - leider inzwischen nicht mehr zu finden, aber hier: https://www.rwi-essen.de/presse/wissenschaftskommunikation/unstatistik/archiv/2021/detail-1/der-impfstoff-ist-zu-90-prozent-wirksam. Siehe auch https://www.food-monitor.de/2020/12/unstatistik-des-monats-der-impfstoff-ist-zu-90-prozent-wirksam/}

 

In den o.g Studien zu den Impfstoffen wurde als Wirksamkeit die "Relative Risikoreduktion" (RRR) berechnet und angegeben. Dabei werden von den erkrankten Fällen die Erkrankten bei den Geimpften mit denen der Ungeimpften (Placebo-Gruppe) ins Verhältnis gesetzt. Das ergibt das Relative Risiko (RR). Die relative Risikoreduktion ist dann RRR = 1 - RR.

Die folgende Tabelle zeigt für eine Auswahl von möglichen Verhältnissen die RRR-Werte. Annahme: Es gäbe insgesamt 100 Fälle, verschieden verteilt auf die Gruppen (normalerweise werden nicht die absoluten Zahlen verglichen, sondern deren Verhältnis zur Grundgesamtheit (also Größe der jeweiligen Gruppe). Sofern diese aber bei beiden Gruppen gleich ist, "kürzt sie sich raus" und man kann die absoluten Zahlen ins Verhältnis setzen).

 

Fälle geimpft	Fälle ungeimpft	RRR
0	100	100%
10	90	89%
20	80	75%
30	70	58%
40	60	33%
50	50	0%
60	40	-50%
70	30	-133%
80	20	-300%
90	10	-800%
100	0	-

 

Sind also 0 Fälle unter den Geimpften, so ergibt sich eine RRR von 100%. Sind beide Fallzahlen gleich (50:50), so ist die Wirksamkeit 0. Ist die Fallzahl bei den Geimpften höher als bei den Ungeimpften, ergibt sich ein negativer Wert. Bei geringen Fallzahlen ist diese Wirksamkeitsberechnung recht anfällig. Das sieht man z.B. bei den Zahlen in der Biontech-Studie für Deutschland: Dort gab es nur 1 Fall bei den Ungeimpften, das führt für diesen Teil zu 100% Wirksamkeit. Wäre nur 1 Fall bei den Geimpften hinzugekommen, so wäre die Wirksamkeit 0 gewesen...

Zu beachten ist außerdem, dass sich diese Wirksamkeitsaussage bei den o.g. Biontech-Studien nur auf 2% der Probanden bezieht. Dies ist eine relativ kleine Menge, auf der die Aussage also beruht.

Die Formel mag eine erste, grobe Abschätzung liefern, sagt aber in Wirklichkeit wenig aus über den Schutz des Individuums, der Bevölkerung oder der Geimpften. Leider wird diese Zahl in der Öffentlichkeit eher auf diese Art wahr genommen.

Man erkennt, dass die Formel negative Effektivitäts-Werte liefert, sobald die Durchbruchquote größer oder gleich der Impfquote ist. Solange die Durchbruchquote kleiner ist, liefert die Formel positive Werte zwischen 0 und 1 (0 und 100%).
Beispiel dunkelblaue Linie (50% Impfquote): bei 50% Durchbrüchen schneidet die Kurve die y-Achse und wird negativ.

Aber je höher die Impfquote ist, umso mehr Impfdurchbrüche sind "erlaubt". Das bedeutet, dass 30% Durchbrüche bei einer Impfquote von 30% 0% Effektivität ergeben, aber bei Impfquote 70% 80% Effektivität.

Auf den ersten Blick plausibel. Dennoch fragt man sich, wie viel diese Art der Effektivitätsberechung nun wirklich aussagt. Sind nicht 30% Impfdurchbrüche immer ein Zeichen für einen mäßigen Impfstoff, egal wie hoch die Impfquote ist?

Natürlich steigt bei Zunahme der Impfquote die Wahrscheinlichkeit, dass es auch mehr Impfdurchbrüche gibt. Doch sollte die Relation zur Zahl der Erkrankten nicht immer eher niedrig bleiben, um von Wirksamkeit oder Effektivität zu sprechen? Sind nicht 30% Impfdurchbrüche immer viel, egal wie hoch die Impfquote ist?

Die Formel liefert nicht "die" Effektivität, sie liefert im Grunde (nur) eine Zahl für einen Aspekt. Weitere Aspekte müssten berücksichtigt werden, z.B.:

• Wie verhalten sich die absoluten Zahlen? Kann man von Effektivität sprechen, wenn es bei einer Impfquote von 70% so hohe Infektionszahlen gibt, wie sie noch nie dagewesen sind? Wie effektiv ist ein Impfstoff, der z.T. über 50% Impfdruchbrüche zulässt und damit die Ausbreitung kaum verhindert?
• Was wissen wir über Antikörper? Werden sie in welchem Maße durch die Impfung gebildet?
• Was wissen wir über die absolute individuelle Risikoreduktion, wenn ich in Kontakt mit dem Virus komme?
• Was wissen wir über diejenigen, die nicht erkranken? Kein Kontakt mit dem Virus oder wie auch immer immun?
• Wie sind die Verhältnisse zwischen den entsprechenden Anteilen an der Bevölkerung und den absoluten Zahlen? Also wie viele geimpfte Fälle habe ich im Vergleich zur den geimpften in der Bevölkerung? Was würde diese Zahl sagen? (S.u.)

So oder so gibt diese Art der Berechnung nur einen Hinweis auf die Effektivität, aber keinen wirklichen Nachweis oder Beweis. Insbesondere bei den Endpunkten Hospitalisierung, Intensiv- oder Todesfällen hakt die Aussagekraft dieser Effektivitätsberechnung. Für einen Nachweis bräuchte man konsequenterweise einen Vergleich.
Also: Wenn ein Mensch mit Impfung nicht ins Krankenhaus muss, wäre er ohne Impfung definitiv ins Krankenhaus gekommen? Wenn ein Mensch ohne Impfung ins Krankenhaus muss, wäre er es mit Impfung nicht?
In der Öffentlichkeit wird es oft so dargestellt. Selbst wenn die statistischen Auswertungen dies andeuten mögen, eine Beweiskraft haben sie nicht.

Update 10.06.2022: Seit Januar 2022 trennt das RKI in den Wochenberichten bei der Berechnung der Impfeffektivität Grundimmunisierte von Aufgefrischten. Vorher wurde nur im Hinblick auf "geimpft" gerechnet.
Offenbar geht es darum, zu zeigen, dass die Auffrischung höhere Effektivität bietet gegenüber Grundimmunisierung.
Es braucht einiges, um zu verstehen, wie das RKI das berechnet und erst mit den folgenden Berichten wird es anhand von mehr Erklärungen und Daten klarer.
Für die Berechnung der Effektivität nach Farrington benötigt man Impfquote und Durchbruchquote.
Bei beiden Zahlen ist es wichtig, zu verstehen, auf welche "Grundgesamtheit" sie sich beziehen.
Eine Angabe wie "66% Impfquote für Nur-Grundimmunisierte" bezieht sich nicht auf die Bevölkerungszahl, sondern auf die Summe aus Ungeimpften und (Nur-) Grundimmunisierten.
Analoges gilt für die Durchbruchquote, die sich bezieht auf die Summe aus Fällen Ungeimpfter und Fällen (Nur-) Grundimmunisierter.
Analoges gilt dann auch bei der Gruppe der Aufgefrischten (Grundgesamtheit: Ungeimpfte plus Aufgefrischte).

Bei der Trennung von Grundimmunisierten und Aufgefrischten stellen sich ein paar Fragen. Ist das "statistisch zulässig"? Zwischen Ungeimpften und Geimpften kann man eine klare Trennlinie ziehen, die beiden Gruppen schließen sich gegenseitig aus - analog zur Trennung von Altersgruppen.
Aber bei Grundimmunisierten und Aufgefrischten ist die Trennlinie nicht so scharf, beide sind im Grunde geimpft.
Außerdem wird mit der gleich bleibenden Zahl von Ungeimpften verglichen. Werden die Ungeimpften dadurch überbewertet, weil die Durchbruchzahl dann jeweils kleiner wird und sich damit die berechnete Effektivität künstlich erhöht?

Interessant wäre also zu sehen, wie sich die getrennten Effektivitätswerte verhalten im Vergleich zu Werten, die man - wie vorher in den RKI-Berichten - gegenüber "geimpft" (also "mindestens grundimmunisiert") erhält.
Dazu benötigt man die Bevölkerungszahl der jeweiligen Altersgruppen (z.B. von Statista^{https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1351/umfrage/altersstruktur-der-bevoelkerung-deutschlands/}), um anhand der vom RKI angegebenen Impfquoten die Zahlen auf die "Basisdaten" zurück zu rechnen.
Dies wurde hier am Beispiel Symptomatischer Fälle Meldewoche 51-02 (2021/2022) und 13-16 (2022) berechnet. Die Effektivitätswerte sehen wie folgt aus.

Impfeffektivität Symptomatische Fälle Meldewoche 51-02 (2021/2022)

Alters­gruppe	IQG	IQA	IQGB	IQAB	IQIB	IEG	IEA	IEI
5...11	-	-	-	-	-	-	-	-
12...17	0,53	0,00	0,53	0,00	0,53	58,09%	-	56,05%
18..59	0,71	0,66	0,45	0,36	0,81	40,90%	73,33%	55,24%
60+	0,75	0,86	0,30	0,61	0,90	63,52%	86,92%	79,24%

 

Impfeffektivität Symptomatische Fälle Meldewoche 13-16 (2022)

Alters­gruppe	IQG	IQA	IQGB	IQAB	IQIB	IEG	IEA	IEI
5...11	0,19	0,001*	0,19	0,00	0,19	-26,58%	-	-31,58%
12...17	0,49	0,46	0,34	0,30	0,64	21,55%	16,67%	19,26%
18..59	0,56	0,79	0,21	0,62	0,83	19,48%	4,19%	8,06%
60+	0,52	0,90	0,10	0,81	0,91	54,17%	58,65%	58,17%

* Impfquote Aufgefrischte Alter 5-11 Spekulation, weil "bisher sehr wenige", daher auch "IEI" nicht sonderlich aussagekräftig

IQG: Impfquote laut RKI-Berich in Bezug zu Grundmenge Grundimmunisierte + Ungeimpfte
IQA: Impfquote laut RKI-Berich in Bezug zu Grundmenge Aufgefrischte + Ungeimpfte
IQGB: Impfquote Grundimmunisiert in Bezug zu Grundmenge B (Bevölkerung / alle der Altersgruppe)
IQAB: Impfquote Aufgefrischt in Bezug zu Grundmenge B(Bevölkerung / alle der Altersgruppe)
IQIB: Impfquote mindestens Grundimmunisiert in Bezug zu Grundmenge B(Bevölkerung / alle der Altersgruppe)
IEG: Impf-Effektivität nach Farrington gem. Angaben im RKI-Bericht, Bezugsgröße Grundimmunisierte + Ungeimpfte
IEA: Impf-Effektivität nach Farrington gem. Angaben im RKI-Bericht, Bezugsgröße Aufgefrischte + Ungeimpfte, diese Zahl ist bei 5-11-jährigen nicht ernst zu nehmen, da es bislang kaum Auffrischungen gab, es wurde bei den Berechnungen eine Quote von 0,1 % angenommen
IEI: Impf-Effektivität nach Farrington gem. Angaben im RKI-Bericht, Bezugsgröße Geimpfte (Aufgefrischte + Grundimmunisierte) + Ungeimpfte

 

Tatsächlich liegt die berechnete Effektivität gegenüber "geimpft" meistens zwischen denen für die getrennten Werte.
Die hier gezeigte Berechnung ist eine Orientierung, sie hat Haken, weil das RKI ggf. andere Bevölkerungszahlen zugrunde legt und hier nicht berücksichtigt wird, dass ein Teil der Bevölkerung gar nicht in die Rechnungen mit einfließt, nämlich diejenigen, deren Imfpstatus ungeklärt ist, die erst einmal oder erst vor kurzem geimpft wurden.

 

Es gibt weitere Seiten, die sich kritisch mit diesen Berechnungen auseinandersetzen. Z.B. ob die Voraussetzungen zur Anwendung der Formel überhaupt gewährleistet sind^{https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Covid-19-Impfung-Koennte-Nuvaxovid-eine-Alternative-werden/Das-Farrington-Maerchen-fuer-Erwachsene/posting-40287610/show/}, ob die Datenbasis valide und die Formel sinnvoll anwendbar ist und wie leicht es zu Verzerrungen kommen kann^{https://politicaldatascience.blogspot.com/2021/12/deep-dive-impfeffektivitat-eine.html, https://norberthaering.de/news/rki-farrington/} oder inwieweit die Zahlen vom RKI überhaupt stimmen...^{https://multipolar-magazin.de/artikel/schon-wieder-datenchaos-beim-rki}

 

Unvollständige Daten

In jedem Fall basieren die Berechnungen auf sehr unvollständigen Daten.

Im Wochenbericht vom 17.2.2022^{https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenberichte_Tab.html} werden bei der Information über Impfdurchbrüchen in der Summe 402.323 symptomatische Fälle genannt - es seien die, für die der Impfstatus bekannt sei (also ungeimpft oder vollständig geimpft bzw. geboostert). In den zusammen gefassten 4 Wochen gab es aber 657.598 symptomatische Fälle^{Anzahl der Fälle mit Angaben zu Symptomen abzüglich des Anteils mit keinen oder nicht relevanten Symtomen, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Klinische_Aspekte.xlsx?__blob=publicationFile}, d.h. der Impfstatus war bei 40% der symptomatischen Fälle nicht bekannt (657.598 - 402.323 = 255.275, 255.275/657.598 = 40%) oder die Impfung war noch nicht vollständig, was bei diesen Zahlen ja auch völlig außer Acht gelassen wird. (Also wie viele Menschen erkranken kurz nach der ersten, zweiten oder kurz nach der dritten Impfung? Und woran liegt das?)
Des weiteren lagen nur bei 17% der Fälle Angaben zur Symptomatik vor, der Impfstatus war in Bezug auf die Gesamtzahl der Fälle also augenscheinlich nur bei 9% bekannt...

Kann man also eine Effektivität auf diese Art sinnvoll berechnen und postulieren, wenn so viele Daten fehlen? Kann man eine Effektivität bezogen auf Hospitalisierung, Intensivfälle und Todesfälle derart berechnen und veröffentlichen, wenn man gar nicht genau weiß, wie viele Betroffene wirklich wegen Covid-19 hospitalisiert sind, auf der Intensivstation liegen oder verstorben sind?

 

Update 10.06.2022: Wie oben angedeutet, gibt es beim Thema Wirksamkeit und Effektivität viele Facetten. Z.B. könnte man die Zahlen der Erkrankten in Relation zur Bevölkerungszahl setzen. Die "Unstatistiker" der Uni Essen tun dies am Beispiel Hospitalisierung:

"Am 22. November 2021 waren laut RKI 85,8 Prozent der Über-60-Jährigen und 74,7 Prozent der 18- bis 59-Jährigen zweimal geimpft. Im Durchschnitt der vom RKI dokumentierten Meldewochen lag die Hospitalisierungsinzidenz der Ungeimpften in der erstgenannten Gruppe rund sechsmal so hoch wie diejenige der Geimpften. In der jüngeren Gruppe war sie sogar rund elfmal so hoch."^{https://www.rwi-essen.de/presse/wissenschaftskommunikation/unstatistik/archiv/2021/detail/die-angst-vorm-impfdurchbruch}

Dies zeigt eine andere Facette von "der Effektivität".

Solche Berechnungen wurden hier versucht nachzuvollziehen ahand der Daten für Ende November (Wochen 43-46 2021^{https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2021-11-25.pdf?__blob=publicationFile}) und zum Vergleich für Ende April (Meldewoche 13-16 2022)^{https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2022-04-28.pdf?__blob=publicationFile}:

Symptomatische Fälle MW 43-46 2021 (November 2021)

Alter	IEG	IEA	IEI	FUzuBU	FIzuBI	B-Faktor
12…17	93,88%	-	93,88%	0,01377	0,00084	16,34
18..59	68,26%	-	68,26%	0,00938	0,00298	3,15
60+	62,74%	-	62,74%	0,00468	0,00174	2,68

 

Hospitalisierte Fälle MW 43-46 2021 (November 2021)

Alter	IEG	IEA	IEI	FUzuBU	FIzuBI	B-Faktor
12…17	92,83%	-	92,83%	0,00006	0,00000	13,94
18..59	86,92%	-	86,92%	0,00026	0,00003	7,64
60+	80,99%	-	80,99%	0,00086	0,00016	5,26

 

Symptomatische Fälle MW 13-16 2022 (April 2022)

Alter	IEG	IEA	IEI	FUzuBU	FIzuBI	B-Faktor
5…11	-26,58%	...	-31,42%	0,00352	0,00463	0,76
12…17	21,55%	16,67%	29,83%	0,00427	0,00300	1,42
18..59	19,48%	4,19%	31,77%	0,00503	0,00343	1,46
60+	54,17%	58,65%	70,88%	0,00427	0,00124	3,43

 

Hospitalisierte Fälle MW 13-16 2022 (April 2022)

Alter	IEG	IEA	IEI	FUzuBU	FIzuBI	B-Faktor
5…11	54,78%	...	48,58%	0,00002	0,00001	1,94
12…17	63,43%	61,93%	67,61%	0,00003	0,00001	3,08
18..59	54,65%	62,27%	70,57%	0,00005	0,00002	3,39
60+	72,73%	85,96%	89,23%	0,00037	0,00004	9,28

IEG: Impf-Effektivität nach Farrington gem. Angaben im RKI-Bericht, Bezugsgröße Grundimmunisierte + Ungeimpfte
IEA: Impf-Effektivität nach Farrington gem. Angaben im RKI-Bericht, Bezugsgröße Aufgefrischte + Ungeimpfte, diese Zahl ist bei 5-11-jährigen nicht ernst zu nehmen, da es bislang kaum Auffrischungen gab, es wurde bei den Berechnungen eine Quote von 0,1 % angenommen
IEI: Impf-Effektivität nach Farrington gem. Angaben im RKI-Bericht, Bezugsgröße Geimpfte (Aufgefrischte + Grundimmunisierte) + Ungeimpfte
FUzuBU: Fälle Ungeimpft in Relation zur Bevölkerungszahl Umgeimpft
FIzuBI: Fälle Geimpft (mind. Grundimmunisiert) in Relation zur Bevölkerungszahl Geimpft (mind. Grundimmunisiert)
B-Faktor: Um welchen Faktor ist FUzuBU höher als FIzuBI?

Es ist nicht ganz klar, welche Daten die o.g. Statistiker herangezogen haben, aber man kann nachvollziehen, dass im November trotz durchaus hoher Durchbruchquoten die Effektivitätswerte relativ hoch sind (IEG) und gerade bei Jüngeren die Fall-Inzidenzen bei Ungeimpften deutlich höcher liegen als bei Geimpften ("B-Faktor"). Derart deutlich ist es dann im April 2022 nicht mehr. Die Effektivitätswerte haben deutlich abgenommen und bei den Fall-Inzidenzen haben sich die Zahlen verkleinert bzw. haben sich auch die Verhältnisse zwschen den Altersgruppen geändert.

Bzgl. Hospitalisierung weiterhin zu beachten, dass zurzeit ca. 70% der "Hospitalisierten" nicht wegen Corona bzw. Atemwegserkrankungen hospitalisiert sind und damit - ergänzend zu der o.g. Unvollständigkeit - kaum eine wirklich valide Datenbasis für solche Berechnungen vorliegt.

Update 2.9.2022: Das RKI stellt ein detaillierteren Bericht zur Verfügung, der nicht nur die Effektivität nach Farrington berücksichtigt, sondern auch die Hospitalisierungs-Inzidenzen bei den einzelnen Gruppen (Grundimmunisiert, Aufgefrischt, Ungeimpft), was etwas mehr Auskunft über absolute Zahlen und deren Verhältnisse gibt bzw. einen anderen Aspekt beleuchtet. Hier lagen die Zahlen bei den Ungeimpften bis zum Jahreswechsel 2021/2022 und Winter 2022 deutlich höher, seit dem Sommer nicht mehr so deutlich. (Könnte damit zu tun haben, dass es weniger Ungeimpfte gibt und/oder mit einer schwächeren Virusvariante...?)^{Quelle: RKI: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/ImpfungenAZ/COVID-19/Monatsberichte/2022-09-01.pdf?__blob=publicationFile zu finden auf https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/ImpfungenAZ/COVID-19/Monatsbericht-Impfung.html (2.9.2022)}