Die Aussage, die Impfung biete zu 90% Schutz suggeriert: "Wenn ich mich impfen lasse und mit dem Virus in Kontakt komme, habe ich eine Chance von 90%, mich nicht zu infizieren bzw. nicht krank zu werden."
Oder: "Wenn ich mich impfen lasse, bilde ich mit 90% Wahrscheinlichkeit ausreichend Antikörper."
Zur zweiten Annahme bzgl. Antikörper trifft die Studie überhaupt keine Aussage.Dazu gibt es andere Studien, z.B. eine kleinere von Biontech/Pfizer mit nur 37 Probanden, die offenbar alle Antikörper bildeten, aber zu ganz unterschiedlichen Ausmaßen (https://investors.biontech.de/de/news-releases/news-release-details/pfizer-und-biontech-veroeffentlichen-neue-daten-zur-immunantwort). Offenbar ist das aber nicht ganz klar und eindeutig, denn es gibt im Nachgang verschiedene kleinere Studien, die die tatsächliche Antikörper-Bildung untersuchen, z.B. unter dem Krankenhauspersonal, was offenbar nach der zweiten Impfung mit Biontech erfogreich war (https://www.aerzteblatt.de/archiv/218570/SARS-CoV-2-Antikoerper-Klarheit-fuer-Impfung-und-Infekt). Zudem wird ja immer wieder geschrieben, die zweite oder gar dritte Impfung würde den Antikörper-Spiegel deutlich erhöhen, fragt sich nur, wie hoch er am Anfang war bzw. ob es ein Minimum gibt, ab dem man von Wirksamkeit spricht... Einen guten Überblick gibt aber der Bericht 42 der "UK Health Security Agency" (UKHSA). Dort wurden die Stände der Spike-Antikörper im Verlauf der Zeit bei Blutspendern beobachtet und der Anstige der Kurve bzgl. der S-Antikörper entspricht in etwa der Kurve der Zunahme bei den Impfungen. COVID-19 vaccine surveillance report Week 42 https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/1027511/Vaccine-surveillance-report-week-42.pdf, zu finden unter https://www.gov.uk/government/publications/covid-19-vaccine-weekly-surveillance-reports
Und die erste Annahme ist durch die Studienergebnisse kaum gedeckt.
Die Studie lässt höchstens eine Aussage in der Art zu: Wenn von N Menschen sich X infizieren, dann fallen wahrscheinlich / statistisch ca. 10% von X auf die Geimpften und ca. 90% von X auf die Ungeimpften.
So lange aber unbekannt ist, wieviele der Geimpften und Ungeimpften dem Virus tatsächlich ausgesetzt waren, hilft diese statistische Aussage nicht weiter.
Im Fall der Studie lag N bei ca. 40.000 und die Zahl der Infizierten X bei 927 (850 von den Ungeimpften, 77 von den Geimpften).
D.h. die Aussage über die Wirksamkeit bezieht sich auf nur ca. 2% der Probanden. Das Problem wird deutlich beim Anteil der Probanden aus Deutschland, von denen 1 Infizierter bei den Ungeimpften gezählt wurde, 0 bei den Geimpften. Das ergibt für diesen Fall eine Wirksamkeit von 100%. Hätte sich aber nur ein Geimpfter infiziert, läge die Wirksamkeit in dieser Gruppe bei 0%.
Ist also die Aussage "90% Wirksamkeit" bezogen auf nur ca. 2% der Probanden zulässig bzw. aussagekräftig?
Deutlich erklärt es auch das RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in seiner Begründung für die "Unstatistik des Monats": "Die „zu 90 Prozent wirksam“ bezieht sich also nicht auf 9 von 10 Menschen, die zur Impfung gehen, und auch nicht auf alle Teilnehmer der Studie oder alle Menschen, die sich in Deutschland impfen lassen. Sie ist eine relative Risikoreduktion, die sich auf die Zahl der Erkrankten bezieht, aber keine absolute Reduktion, die sich auf alle Geimpften bezieht."https://www.rwi-essen.de/presse/wissenschaftskommunikation/unstatistik/archiv/2021/detail-1/der-impfstoff-ist-zu-90-prozent-wirksam, früher: https://www.rwi-essen.de/unstatistik/109/, s.a. https://idw-online.de/de/news759130
Unklar ist in der Studie, wie die Infektionen festgestellt wurden. Offenbar wurden nur Probanden mit Symptomen einbezogen. Völlig unklar bleibt, ob es auch Infektionen ohne Symptome gab und wenn ja, wie viele in welcher Gruppe. So könnten viele Infektionen übersehen worden sein.
In der Studie wurde nicht untersucht, ob und inwieweit Antikörper gebildet wurden und ob und wie groß eine ggf. vorhandene Ansteckungsgefahr vorhanden ist.
Unklar ist auch, ob alle Probanden dem gleichen Infektionsrisiko ausgesetzt waren. Die Probanden wurden offenbar "korrekt" auf Bevölkerungsrguppen und Länder verteilt, aber welche Rolle spielen die Maßnahmen und das aktuelle Infektionsgeschehen im jeweiligen Land und zur jeweiligen Jahreszeit?